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Der verliebte Schwan und 35 weitere Fabeln

»Die Fabeln von Florian Russi spiegeln unser tägliches Verhalten wider. Sie regen an zum kreativen Nachdenken über sich selbst. Nicht belehrend, sondern unterhaltend. Deswegen sind Fabeln heute wieder so modern.« Benedikt Otto, mdr

ISBN 978-3-95462-708-0

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Das Wildschwein und sein Freund

Das Wildschwein und sein Freund

Florian Russi

In einem Wald lebte ein junges Wildschwein. Es strotzte vor Kraft und fand genug Futter, um sich jeden Tag satt zu fressen. Je älter es wurde, überkam es jedoch immer mehr der Wunsch, große Abenteuer zu erleben und die weite Welt kennen zu lernen. Deshalb brach es eines Tages auf und verließ seinen Wald. Tagelang lief es umher, lernte immer neue Gegenden kennen, begegnete anderen Wildschweinen und fragte sie, wie sie ihr Leben verbrachten. „Nein, so wie die will ich nicht leben“, sagte es dann zu sich selbst. Deren Alltag ist ja genau so langweilig wie meiner bisher war.“ Es beschloss, so lange weiterzulaufen, bis es endlich ein echtes Abenteuer erleben könnte.

Eines Tages gelangte es zu einer Küste an einem großen Meer. Von dort aus sah es vor sich eine Insel. „Wer lebt auf dieser Insel?“, fragte es eine Möwe, die gerade an den Strand geflogen kam. Die Möwe tat sehr geheimnisvoll und sagte dann: „Die Insel ist ein kleines Paradies, keiner der dort lebt, will sie freiwillig verlassen. Dort findet sich reichlich Nahrung: Nüsse, Eicheln, Bucheckern, saftige Beeren und kräftige Wurzeln.“

Das Wildschwein wurde neugierig, stürzte sich ins Wasser und schwamm zu der Insel. Als es dort ankam, trat ihm ein Eber entgegen und sagte: „Was suchst du hier, Fremdling?“ Da antwortete das Wildschwein: „Ich komme ohne böse Absichten, bin nur neugierig und möchte die Welt kennen lernen.“ Der Eber erwiderte: „Wenn du mein Freund sein willst, bist du mir herzlich willkommen.“ Das Wildschwein überlegte nicht lange und willigte ein. Als Zeichen ihrer Freundschaft rieben die beiden ihre Schnauzen aneinander. Dann führte der Eber das Wildschwein zu einem Waldstück, in dem viele Eicheln und Bucheckern herumlagen. Es waren viel mehr, als das Wildschwein fressen konnte. Schließlich sagte der Eber: „Komm mit mir zu meiner Wohnstätte. Dort wartet meine Frau auf mich. Sie wird dich als meinen Freund aufnehmen und mit allem versorgen, was du benötigst.“

Zufrieden schloss sich das Wildschwein dem Eber an und erlebte auf der Insel viele angenehme Tage. Wenig später trat der Eber wieder an das Wildschwein heran und sagte: „Mitten in der Insel lebt und wütet ein alter Keiler, mit dem ich schon lange verfeindet bin. Da du mein Freund bist, komm mit mir, ich will ihm zeigen, dass ich nicht alleine bin und ihn in seine Schranken weisen.“

Das Wildschwein fühlte sich an sein Versprechen gebunden und begleitete den Eber zur Mitte des Waldes hin. Dort sahen sie plötzlich einen kräftigen Keiler vor sich. „Du schon wieder“, rief der erregt und stürzte sich auf das Wildschwein. Er brachte es zu Fall und tötete es.

Fazit: Bei der Auswahl seiner Freunde sollte man Bedacht walten lassen.

- - -

Anmerkung: Dem Wildschwein erging es ähnlich wie Ferdinand Magellan, dem ersten Weltumsegler. Um auf der Pazifik-Insel Mactan friedlich aufgenommen zu werden, schloss er mit einem Stammeshäuptling eine Freundschaftsvereinbarung. Die nutzte der Häuptling und verpflichtete Magellan, mit ihm gegen einen Feind in den Krieg zu ziehen. Dabei wurde Magellan von einem feindlichen Pfeil getroffen und getötet. Deshalb konnte der große Seefahrer seine berühmte Reise nicht selbst vollenden. Dies ist ein Grund, vor solchen „Magellan-Freundschaften“ zu warnen.

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Vorschaubild: pixabay, gemeinfrei

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