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Florian Russi

Im Zeichen der Trauer
Tröstungen für Hinterbliebene

Dieses Büchlein will denjenigen helfen, die durch den Verlust eines geliebten Menschen in Trauer, Schmerz und seelische Not geraten sind. 

Robert Blum 2

Robert Blum 2

Andreas Schneider

Weg vom einfachen Mann aus dem Volk zum geachteten Politiker

Robert Blum war immer ein Mann auch der einfachen Worte, denn das Volk sollte ihn verstehen. Er sprach dessen Sprache, weil er einer von unten war und blieb, auch wenn es ihm gelingen sollte, sich in seinem Lebensweg sehr weit von seiner sozialen Herkunft zu erheben. Seine Gegner nannten ihn auch gerne einen Populisten, wobei dieses Prädikat nicht ganz unserer heutigen politischen Einordnung entsprach.

Robert Blums Herkunft und Sozialisation

Robert Blum wurde am 10. November 1807 in Köln in ärmliche Verhältnisse geboren. Blums Vater Engelbert Blum, ein abgebrochener Theologe, der als Böttcher arbeitete, starb am 14. Juni 1815, die Mutter heiratete ein halbes Jahr später den Schiffsknecht Kaspar Schilder. Maria Katharina Blum, dann Schilder, geborene Brabender (1784-1865), arbeitete zunächst als Dienstmädchen und war dann als Näherin tätig; sie erhielt nach Blums Erschießung übrigens deutschlandweit ebenso große Anteilnahme wie Blums Ehefrau Louise Eugenie, genannt Jenny (1810-1874) auch aus heutiger Sicht eine starke, politisch denkende Frau, die ihren Mann in seinem Denken und Handeln stets unterstützt hatte. Jenny war die Schwester des Freundes Johann Georg Günther, mit dem er u. a. 1844/45 sowie ab 1. April 1848 bis November 1848 gemeinsam mit zwei weiteren Freunden die „Sächsischen Vaterlands-Blätter“ als Redakteur herausgab, ein bedeutsames Publikationsorgan des Vormärz und der Revolution in Sachsen. Blum hatte Jenny am 29. April 1840 in der Dorfkirche zu Cleuden bei Leipzig, im heutigen Ortsteil Thekla geehelicht, um dem städtischen Zwang in Leipzig zu entgehen – übrigens in einer Doppelhochzeit, denn auch sein Schwager heiratete seine Carolina Elisabeth.

Nach einer von Blum verfassten und postum veröffentlichten Selbstbiographie litt die Familie in seiner Kindheit öfters große Not und konnte sich gerade so durchschlagen. Blums Schwester Gretchen schilderte in einen Brief an ihren Neffen Hans Blum vom 11. Juni 1878 sehr plastisch Erlebnisse mit ihrem Bruder, dem „Schutzgeist ihrer Kindheit“, dem „Führer und Lehrer in der Jugend“, der sie u. a. von Schiller zu begeistern versuchte. Nach der Schulzeit brach Blum 1820/21 zwei Lehren als Gürtler und Goldschmied ab. Schließlich erlernte er 1822-25 den Beruf des Gelbgießers, wo er mühselig Metallknöpfe fertigte. Samt Wanderzeit arbeite er zunächst etwa zwei Jahre als Handwerker und war danach zwei Jahre erst in München, dann in Berlin als eine Art Verkäufer für Gaslaternen angestellt. Mit großer Energie bildete sich Blum in diesen Jahren autodidaktisch weiter und erkannte sein Talent beim Reden und Schreiben. Vor allem das Theater bot ihm ab Oktober 1830 in seiner Heimatstadt eine neue berufliche Option, wenn auch eher zufällig: Direktor Friedrich Sebald Ringelhardt nahm ihn als Sekretär am Kölner Stadttheater auf und nach seiner Berufung nach Leipzig kurzerhand mit nach Sachsen. Im Juli 1832 in der Messestadt angekommen, erlebte Blum hier in den nächsten Jahren sein eigentliches Coming out der Berufung: Spätestens um 1839/41, als er die erste Schillerfeier (1840) anstieß und ein Netzwerk radikaler Demokraten samt studentischer burschenschaftlicher Linke um sich versammelte, hatte Blum endgültig ein neues Feld betreten – die Politik.


Wortführer und Organisator der Radikaldemokraten im Vormärz

Die Stätte der wichtigsten und längsten Wirkungsetappe in seinem Leben wurde tatsächlich Leipzig; hier gelang Blum auch ein beachtlicher sozialer Aufstieg: Von 1832 bis zum Eintritt in die Selbstständigkeit als Publizist und kleiner Verleger 1847 hat er hier als Theatersekretär gewirkt, einer Art Tätigkeit zwischen „Mädchen für alles und Vizedirektor; hier hat er 1844 durch einen Hauskauf das Bürgerrecht erwerben können. Hier in Leipzig war er auch 1846 zum Stadtverordneten (mit der höchsten Anzahl von Wahlmänner-Stimmen) und 1847 sogar von diesen zum unbesoldeten Stadtrat gewählt worden, aber die Königliche Kreisdirektion kassierte die Wahl trotz des Protests der Stadtverordneten. Hier in Leipzig wurde Blum um 1839 Mitbegründer und Mitglied der neuen burschenschaftlichen Linken, die ihn trotz fehlender akademischer Laufbahn in ihre Reihen aufnahm; hier in Leipzig wurde er ebenso 1842 Mitbegründer des ersten Schillervereins und des Literatenvereins, dann Ende November/Anfang Dezember 1845 des Redeübungsvereins als halblegaler Organisation der radikalen Demokraten und Ende März/Anfang April 1848 auch des Vaterländischen Vereins, nun ihrer legalen Organisation. Mit seinem Auftreten in den blutigen Augustereignissen 1845, als durch Militär auf eine Protestkundgebung geschossen wurde und neun Tote zu beklagen waren, rettete er die Situation in der Stadt, als er sich in hitzigen Versammlungen immer wieder dafür einsetzte, den „Boden des Gesetzes nicht zu verlassen und für eine Untersuchung der Vorfälle sorgte. Spätestens seit jenen Tagen war er in der Messestadt und darüber hinaus berühmt. Als mitreißender Redner erfreute er sich in Leipzig fortan einer wachsenden und dann lange anhaltenden Popularität, nicht nur bei vielen Studenten und Arbeitern, seinen Hauptanhängern, sondern wie in keiner anderen deutschen Stadt weit über alle sozialen Schranken hinweg, wie sich in seiner Wahl zum Stadtverordneten 1846 und dann wieder im November und Dezember 1848 in den Reaktionen auf seinen Tod zeigen sollte.

Was viel zu wenig gewürdigt wird: Mit einem Anstoß in seinen „Vaterlands-Blättern“ eröffnete Robert Blum 1843/44 übrigens auch die erste Debatte über Frauenrechte, an der sich die junge Louise Otto und weitere Frauen, aber anonym, beteiligten; sie gilt als der eigentliche Beginn der Frauenemanzipationsbewegung in Deutschland. Ebenfalls über Artikel in den „Vaterlands-Blättern“ wurde Blum 1844/45 zu einem der führenden Organisatoren der Deutschkatholischen Bewegung, einer katholischen Reformrichtung, und machte Leipzig zu einer wichtigen Zelle; er benutzte die Bewegung, um seine freiheitlichen Auffassungen unter die Menschen zu bringen. Als Publizist nahm Robert Blum „unter Mitwirkung der sachkundigsten Schriftsteller Deutschlands“ 1839-41 ein „Allgemeines Theater-Lexikon oder Encyklopädie alles Wissenswerthen für Bühnenkünstler, Dilettanten und Theaterfreunde“ in vier Bänden in Angriff, das zum Standardwerk werden sollte. Sein im eigenen Verlag herausgegebenes „Volksthümliches Handbuch der Staatswissenschaften und Politik“, Band 1: A-K erschien 1848, Bd. 2: L-Z postum 1851, war ebenso als ein aktuelles Kompendium angelegt als auch ein Versuch zur Aufklärung und Demokratieerziehung; es sollte Politik in einfachen Worten erklären.

Man kann es vereinfacht und zugespitzt auch so formulieren: Wenn vor 1848 etwas Oppositionelles passierte oder gedacht wurde, war Robert Blum häufig direkt oder indirekt dabei. Er war Teil des Deutschland überziehenden oppositionellen Netzwerkes von Liberalen und Demokraten. Es ehrte ihn, dass er im Oktober 1839 als fast Zweiunddreißigjähriger erstmals auch zu einer mehr oder weniger regelmäßigen Zusammenkunft der liberalen Größen der Zeit berufen wurde, die sich nach dem Tagungsort, einem Weingut bei Hallgarten, auch „Hallgarten-Kreis“ nannte, und Deutschlands Zukunftsfragen diskutierte.

Der Aktivist der ersten Stunde in der Revolution

Jubelnde Revolutionäre nach Barrikadenkämpfen am 18. März 1848 in der Breiten Straße in Berlin
Jubelnde Revolutionäre nach Barrikadenkämpfen am 18. März 1848 in der Breiten Straße in Berlin

Seine große Stunde schlug aber mit dem Ausbruch der Revolution im März 1848. Der sich im Vormärz ab 1840/41 um ihn zusammengefundene Leipziger Kreis von liberal-radikalen Demokraten, der auch die studentische Linke um den 1841 organisatorisch erneuerten „Progress“ einschloss und sich ab Ende 1845 u. a. im Redeübungsverein artikulierte, wurde mit Ausbruch der Revolution Anfang März 1848 in Leipzig sofort aktiv. Unter seinem Einfluss gingen die radikalen Demokraten schnell auch einen Schritt weiter als die Liberalen um den „politischen Professor“ Karl Biedermann und machten Leipzig zum Aktionszentrum für Sachsen. Mit Kraft und Lust stürzte sich Robert Blum ab März 1848 in das politische Getümmel und scheute keinen Einsatz in den aufregenden und aufreibenden Wochen nach Ausbruch der Revolution – sei es als Redner im Stadtparlament oder in den nun täglichen Volksversammlungen, sei es im Gespräch mit Freunden und Gleichgesinnten in seinem Haus oder mit den Menschen auf der Straße, vor den Anschlagsäulen oder im Verein, sei es als Journalist und Propagandist mit dem heißen Wort in klarer Sprache oder als kühler Organisator der nächsten nötigen Schritte. An allen entscheidenden Aktionen und Ereignissen der ersten Etappe der Revolution in Leipzig und Sachsen war Robert Blum maßgeblich beteiligt: Er forderte als erster öffentlich den Rücktritt der Regierung, am Abend des 3. März 1848 in einer die Massen bewegenden Rede vom Balkon des Alten Rathauses; daran erinnert seit 1948 eine – allzu oft übersehene – Gedenktafel, unterhalb des Balkons neben dem Portal zum Rathaus. Und Robert Blum setzte sich im Anschluss noch am selben Abend sehr direkt für die Friedlichkeit der Proteste ein, als er einen Sturm auf das Postgebäude, den Sitz der Kreisbehörde, durch „mahnende“ Worte verhinderte. Er forderte ebenso als erster die Bewaffnung des Volkes und er gründete eine der entscheidenden Parteien mit, den Vaterländischen Verein. Dabei erwarb er sich viel Zustimmung in der Stadt und im Land, fand aber auch heftige Ablehnung – bis hin zu wüsten Drohbriefen, die er persönlich in seinem Comptoir öffentlich machte.

Lesen Sie hier drei Teile zu Robert Blum:

Robert Blum 3
Robert Blum 3
von Andreas Schneider
Robert Blums Tod und seine Bedeutung (Teil 1)
MEHR
Robert Blum 2
Robert Blum 2
von Andreas Schneider
Weg vom einfachen Mann aus dem Volk zum geachteten Politiker (Teil 2)
MEHR
Robert Blum 1
Robert Blum 1
von Andreas Schneider
Im Paulskirchen-Parlament und als dessen Abgesandter in Wien (Teil 3)
MEHR
Abschiedsbrief von Robert Blum
Abschiedsbrief von Robert Blum
von Andreas Schneider
an seine Ehefrau Jenny
MEHR

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Bildquellen:

Vorschaubild, Robert Blum Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=77...

Jubelnde Revolutionäre nach Barrikadenkämpfen am 18. März 1848 in der Breiten Straße in Berlin, gemeinfrei

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