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Nun leb wohl du kleine Gasse

Nun leb wohl du kleine Gasse

Albert von Schlippenbach

Kafkas Lieblingslied

 
Kafka schrieb 1912, als er sich in der „Rudolf Just's Kuranstalt" aufhielt, an seinen Freund und langjährigen Reisebegleiter Max Brod:
„Kennst du Max das Lied ´Nun leb wohl...`Wir haben es heute früh gesungen und ich habe es abgeschrieben. Die Abschrift heb ich mir ganz besonders gut auf! Das ist eine Reinheit und wie einfach es ist; jede Strophe besteht aus einem Ausruf und einem Kopfneigen."
 
Monate später schrieb er an seine Freundin Felice Bauer:
„So reiße ich aus meinem diesjährigen Reisetagebuch ein Blatt nach dem andern heraus und bin unverschämt genug, es Dir zu schicken. Suche es aber wieder dadurch auszugleichen, dass ich Dir ein Blatt, dass gerade aus dem Heft gefallen ist mitschicke, mit einem Lied, das man im diesjährigen Sanatorium öfters am Morgen im Chor gesungen hat, in das ich mich verliebt und das ich abgeschrieben habe. Es ist ja sehr bekannt und Du kennst es wohl auch, überlies es doch einmal wieder. Und schicke mir das Blatt jedenfalls wieder zurück, ich kann es nicht entbehren. Wie das Gedicht trotz vollständiger Ergriffenheit ganz regelmäßig gebaut ist, jede Strophe besteht aus einem Ausruf und dann einer Neigung des Kopfes. Und dass die Trauer des Gedichtes wahrhaftig ist, das kann ich beschwören. Wenn ich nur die Melodie des Liedes behalten könnte, aber ich habe gar kein musikalisches Gedächtnis." 
 
Dieses kleine Liedchen, das Kafka im Sanatorium sang ging ihm wohl nie wieder aus dem Kopf. Der Text wurde 1833 von dem Dichter Albert Graf von Schlippenbach verfasst. Die Vertonung folgte 1853 durch den Komponisten und Musikpädagogen Friedrich Silcher, der viele weitere Lieder und das dreistimmige württembergische Choralbuch komponierte. 
 
Tiffany Tabbert 

 

Liedtext 

1. Nun leb' wohl, du kleine Gasse,
nun leb' wohl, du stilles Dach!
Vater, Mutter sahn mir traurig,
und die Liebste sah mir nach,
und die Liebste sah mir nach.

2.  Hier in weiter, weiter Ferne,
wie's mich nach der Heimat zieht!
Lustig singen die Gesellen;
doch es ist ein falsches Lied.

3.  Andre Städtchen kommen freilich,
andre Mädchen zu Gesicht;
ach wohl sind es andre Mädchen,
doch die eine ist es nicht!

 4. Andre Städtchen, andre Mädchen,
ich da mitten drin so stumm!
Andre Mädchen, andre Städtchen,
o wie gerne kehrt' ich um!

 

*****

Noten gesetzt von Tiffany Tabbert
Vorschaubild: Rita Dadder

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