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Die zwei schönsten Geschichten aus Florian Russis "Alids Traum" wurden für Kinder neu erzählt und farbig illustriert.

Der Sachsenspiegel

Der Sachsenspiegel

Rudolf Dadder

Ältestes deutsches Rechtsbuch

Seite aus der Oldenburger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels
Seite aus der Oldenburger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels

Der Sachsenspiegel ist das erste mittelalterliche deutsche Rechtsbuch. Verfasst wurde es von dem sächsischen Adligen Eike von Repgow (geb. zw. 1180 - 1189, gest. zw. 1230 - 1235) im Auftrag des Grafen Hoyer von Falkenstein († 1251). Es handelt sich dabei nicht um ein geltendes Gesetzbuch, sondern um eine Sammlung von Gewohnheitsrechten. Von Repgow betont in seiner Vorrede, dass er dieses Recht nicht selbst erdacht, sondern als Erbe von den Vorfahren übernommen habe.

„Dem einen zur Freude, dem anderen zum Leide: zu Nutzen und Segen ist dies Buch verfasst.“ Nutzen und Segen brachte es vor allem, weil es sächsisches Gewohnheitsrecht zu ersten Mal nachlesbar machte und damit zur Rechtssicherheit beitrug. Eine der Grundforderungen der späteren freiheitlich-rechtsstaatlichen Bewegungen war die nach einer geschriebenen Verfassung. Durch die schriftliche Niederlegung sollten Unklarheiten und Willkür ausgeschlossen werden.

Der Sachsenspiegel hat Klarheit und Deutlichkeit herzustellen versucht. Die Lektüre muss den heutigen Leser jedoch in vielen Punkten schrecken: So heißt es über das Erbrecht: „Auf Zwitter, auf Zwerge und verkrüppelte Kinder wird weder Lehen noch Besitz vererbt“ (Erstes Buch, Art. 4), und über die Strafgerichtsbarkeit (Zweites Buch, Art. 13):

Die Erbunfähigen
Die Erbunfähigen

„§ 1. Nun vernehmt, welche Strafen für Verbrechen vom Gericht verhängt werden: Den Dieb soll man hängen.

§ 4. Alle Mörder und solche, die den Pflug rauben oder eine Mühle oder die eine Kirche oder den Kirchhof berauben; ebenso Verräter und Mordbrenner oder die ihre Botschaft (Vollmacht) zu ihrem eigenen Nutzen verkehren: Die soll man alle rädern.

§ 5. Wer einen Mann erschlägt oder fängt oder beraubt, oder brandstiftet ohne Mord, oder Weib oder Magd notzüchtigt und den Frieden bricht oder beim Ehebruch betroffen wird, dem soll man das Haupt abschlagen.

§ 6. Wer Diebesgut oder Raub hehlt oder einem Mann Hilfe dabei leistet: werden sie dessen überführt, so soll man über sie richten wie über jenen (den Dieb).

§ 7. Ein Christ, Mann oder Weib, der ungläubig ist und sich mit Zauberei oder mit Giftmischerei abgibt und dessen überführt wird, den soll man auf dem Scheiterhaufen verbrennen.“

Geistliches und weltliches Gericht
Geistliches und weltliches Gericht

Von Repgow trennt zwischen kirchlichem (päpstlichem) und weltlichem Recht, wobei er ersterem einen Vorrang einräumt. In Artikel 1 des Ersten Buchs heißt es: „dem Papst ist das geistliche Schwert bestimmt, dem Kaiser das weltliche. Dem Papst ist auch verliehen, zu gegebener Zeit auf einem weißen Pferd zu reiten und der Kaiser soll ihm die Steigbügel halten…“

Der Sachsenspiegel war offenbar auch ein Versuch, deutsches Recht mit römischem zumindest gleichzusetzen. Das römische Recht (Corpus Juris), das an mehreren auch von Deutschen besuchten italienischen Universitäten gelehrt wurde, hat sich jedoch mehrheitlich durchgesetzt. Die Bedeutung des Sachsenspiegels ist dennoch hoch einzuschätzen:

- Er hat die deutsche Gesetzessprache deutlich beeinflusst. Sätze wie „Ein Gut, das ein Mann Jahr und Tag ohne rechtmäßigen Widerspruch in seinem Gewahrsam hat, das hat er in rechtmäßigem Besitz“ (Zweites Buch, Art. 44), könnten ähnlich auch im heutigen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zu finden sein.

- Er hat in einigen Bereichen das römische Recht ergänzt.

- Der Sachsenspiegel hat Einfluss auf die Rechtsentwicklung einiger osteuropäischer Staaten genommen, die keine, bzw. wenig Verbindung zum römischen Recht hatten.

- Er hat das Selbst- und Eigenbewusstsein der deutschen Juristen gestärkt.


Eike von Repgow-Standbild in der ehemaligen Berliner Siegesallee
Eike von Repgow-Standbild in der ehemaligen Berliner Siegesallee
Bis heute ist der Sachsenspiegel auch ein wichtiges Dokument der niederdeutschen Sprache („Ich ne kann de Lüte machen nicht, vernumftisch allgemeine“) im Mittelalter.

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- Vorschaubild: Eike von Repgow. Bild aus dem Oldenburger Sachsenspiegel (14. Jh.)
- Seite aus der Oldenburger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, Landrecht und Lehnrecht. Quelle: Landesbibliothek Oldenburg digital
- Die Erbunfähigen. Wiedergabe aus der Dresdner Bilderhandschrift des Sachsenspiegels in: Eike von Repgow: Der Sachsenspiegel (Auswahl), Verlag Ferdinand Hirt in Breslau (Hirts Deutsche Sammlung Gruppe IV: Einzelschriften, Band 4).
- Geistliches und weltliches Gericht. Wiedergabe aus der Dresdner Bilderhandschrift des Sachsenspiegels in: Eike von Repgow: Der Sachsenspiegel (Auswahl), Verlag Ferdinand Hirt in Breslau (Hirts Deutsche Sammlung Gruppe IV: Einzelschriften, Band 4).
- Eike von Repgow-Standbild in der ehemaligen Berliner Siegesallee. Fotoscan aus: Eike von Repgow: Der Sachsenspiegel (Auswahl), Verlag Ferdinand Hirt in Breslau (Hirts Deutsche Sammlung Gruppe IV: Einzelschriften, Band 4)

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