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Unser Leseangebot

Weihnachten bei Familie Luther

Christoph Werner

Luthers jüngster Sohn erzählt vom Christfest

Paul Luther, der jüngste Spross der Lutherfamilie, gewährt dem Leser Einblick in sein Leben und das seiner Familie.
Er berichtet von seiner Kindheit in Wittenberg und der Krankheit seines Vaters, von seiner Verwicklung, die ihm als Leibarzt widerfuhren, und von den Intrigen am Gothaer Hof. Reichlich illustriert öffnen sie dem Leser die Tür zur Weihnachtsstube der Familie Luther.

Nikolaustag und Nikolausteller

Nikolaustag und Nikolausteller

Andreas Schneider

Kult und Klamauk um Sankt Nikolaus

„Der Nikolaus kommt heut!" - Ein früher Kinderbeschertermin der Advents- und Weihnachtszeit mit langer Tradition

„Heute Abend (alternativ: heute Nacht) kommt der Nikolaus" - welches Kind geht nicht nach diesem Spruch der Eltern aufgeregt ins Bett und träumt von ihm, dem gütigen, bärtigen alten Mann mit dem langen Mantel, dem Stab und der Zipfelmütze - Zeichen, in die viele seine Herkunft als frühchristlicher Bischof deuten. Aber das weiß unser in den Blick genommenes Kind nicht und es interessiert sich auch eher nicht die Bohne dafür. Vielmehr springt es am nächsten Tag früh am Morgen voller Erwartung aus dem Bett und flitzt neugierig zu den am Abend noch säuberlich geputzten Schuhen bzw. dem zusätzlich bereitgestellten Gabenteller, um erfreut festzustellen, was Nikolaus dort alles hinein- oder abgelegt hat.
Nikolaus von Myra
Nikolaus von Myra

Am 6. Dezember ist Nikolaustag, nicht nur in Deutschland. Aber hier hat der dem großen katholischen Heiligen Sankt Nikolaus gewidmete Tag - auch Nikolausfest genannt - seit langer Zeit, mehr als fünf Jahrhunderte, seine eigene feste Tradition entwickelt, mit eigenem Inhalt und Brauchformen. Denn sein Festtag ist hier im deutschen Kulturraum schon seit Beginn des 16. Jahrhunderts mit vielfältigem Vorweihnachts- und Kinderbrauch verbunden - im Muster ganz anders wie zum Beispiel in den benachbarten Niederlanden, wo Nikolaus „Sinterklaas" heißt, oder im alpinen Raum, wo urige Lärmbräuche wie zum Beispiel das „Klausenjagen" um Küssnacht in der Schweiz bis ins 15. Jahrhundert zurückgeführt und noch immer freudig inszeniert werden.

Wer aber war Nikolaus, um den im Laufe der Jahrhunderte ein mehr als aufwendiges Brauchgeschehen zu seinem Festtag entstand? Der als Beschützer der Kinder zum geheimnisvollen Geschenkebringer sowie zur Fantasiefigur der Vorweihnachtszeit wurde - und das stabil seit nahezu fünf Jahrhunderten. Wie kam es zu diesem und anderen Bräuchen um den so besonders beliebten Heiligen Nikolaus, der auch in der orthodoxen Kirche, besonders in Russland, große Verehrung genießt? Es gibt so viele Erklärungen wie Legenden um seine Person. Doch schon das ist nicht ganz exakt - Kulturwissenschaftler betonen, dass gleich mehrere Personen gleichen Namens mit ihrer Vita für die so breite Ausbildung des Nikolaus-Kults herhalten mussten. Am Ende ist der an seinem angeblichen Todesdatum, am 6. Dezember, gefeierte Heilige eine Kunstfigur, die sich aus Bruchstücken des Lebens gleich mehrerer Personen zusammensetzt. Eine der historischen Figuren, auf die sein Kult vor allem zurückgeführt wird, lebte in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts in Kleinasien, in der heutigen Türkei, geriet in die Christenverfolgung und war zuletzt ein frühchristlicher Bischof in der Stadt Myra, heute die Stadt Demre bei Antilaya, wo er um 342 verstarb. Genau dieser Nikolaus von Myraavancierte im Verlaufe des Mittelalters zu einem der populärsten sowie am häufigsten auf Ikonen dargestellten Heiligen des Christentums. Er wurde zugleich zum Patron für viele Berufszweige, ihr Beschützer und Helfer in Notlagen: Bäcker, Bauern, Bierbrauer, Schnapsbrenner, Kaufleute, Seefahrer.

 Nikolaus-Flügelaltar von 1485 in der Kirche St. Mariae in Mühlhausen
Nikolaus-Flügelaltar von 1485 in der Kirche St. Mariae in Mühlhausen

Ursache für diese ungewöhnliche Popularität sind die zahlreichen Legenden, die sich um die kompilierte Kunstfigur ranken, besonders die Rettung von Schiffern aus Sturmesnot oder die Wiedererweckung getöteter Kinder, die ein habgieriger Wirt in einem Fass eingepökelt hatte. Gerade diese Legende machte ihn im 11. Jahrhundert von Frankreich ausgehend zum Beschützer und Patron der Kinder und Schüler und so wurde in den mittelalterlichen Klosterschulen ein Spiel der „verkehrten Welt" beliebt, bei dem ein Schüler für 24 Stunden Bischof spielen durfte und seine Mitschüler mit kleinen Geschenken bedachte. Termin für dieses Kinderbischofsspiel mit Umzügen war ursprünglich der 28. Dezember, der Tag der Unschuldigen Kinder zur Erinnerung an den Kindermord zu Bethlehem nach der Geburt Jesu - laut dem Bericht des Matthäusevangeliums (2, 16). Mit der zunehmenden Popularität von Sankt Nikolaus verlagerte sich dieses Fest seit dem 13. Jahrhundert auf den 6. Dezember und so wurde dieser Festtag zum Beschertag für die Kinder. Der Kult des Schenkens um Sankt Nikolaus entstand.

Merkwürdig genug: Am Beginn des Kults des Schenkens um Sankt Nikolaus stand ausgerechnet ein Diebstahl - denn entscheidend für die Verehrung des heiligen Nikolaus in Europa wurde im 11. Jahrhundert der Raub seiner angeblichen Gebeine aus Myra bzw. Demre in der heutigen Türkei. Seeleute aus Bari zeichneten dafür verantwortlich und überführten sie schlichtweg in ihre Heimatstadt in Italien, wo eine eigene Basilika dafür gebaut wurde. Kirche, Kreuzfahrer und Handel, vornehmlich durch die Hanse, beförderten dann im Hoch- und Spätmittelalter die weite Verbreitung seines Kults. Nördlich der Alpen sollen für ihn vom 11. bis zum 16. Jahrhundert mehr als 2200 Kirchen errichtet worden sein - so meinen es manche Wissenschaftler; nachzuprüfen ist es nur wenig.

Der Weihnachtsmann mit einem kleinem Mädchen
Der Weihnachtsmann mit einem kleinem Mädchen

Doch zurück nach Deutschland. Im Kinderglauben ist der beliebte Heilige Sankt Nikolaus heute vor allem eines: ein hochbeliebter Gabenbringer, der in der Nacht kommt und „liebe" Kinder beschert - neben verschiedenen anderen Gestalten wie Christkind und Weihnachtsmann, die dann aber zu einem anderen Termin bescheren, sozusagen in einer zweiten Gabentour. Doch bevor diese beiden, Christkind und Weihnachtsmann, zu ihrer weihnachtlichen Funktion kamen, war Nikolaus dafür zuständig. Denn bis zum 16. Jahrhundert war der Nikolaustag so etwas wie der eigentliche Tag der weihnachtlichen Bescherung. Schon damals wurden Gaben in die bereitgestellten Schuhe der Kinder gelegt. Dieser Brauch ist spätestens seit Beginn des 16. Jahrhunderts bekannt und entwickelte sich aus der Legende von den drei Töchtern eines armen Mannes, die durch ein Geschenk des Nikolaus, drei goldene Äpfel, vor der Prostitution bewahrt blieben. Das Geschenk soll Nikolaus in die Schuhe gelegt haben.

Doch nicht nur Schuhe sind die bewährten Objekte für diesen sogenannten „Einlegebrauch" am Nikolaustag. Lasst uns froh und munter sein", heißt es im bekanntesten Nikolauslied aus dem 19. Jahrhundert, „Lustig, lustig, trallerallera, bald ist Nikolausabend da. Dann stell ich den Teller auf, Niklaus legt gewiss was drauf [...]". Das beliebte Lied besingt besonders den Gabenteller und macht ihn zum Mittelpunkt des Nikolaustags, zum zentralen Ort der Bescherung. Denn schon seit Generationen ist der Nikolausteller in vielen Familien aus der vorweihnachtlichen Brauchtradition nicht mehr wegzudenken; als bunter Teller mit Süßigkeiten wanderte er auch in den weihnachtlichen und Neujahrsbrauch. Der Nikolausteller ist allerdings viel jünger als der Nikolaus-Kult: Erst im 19. Jahrhundert, genauer um 1840/1850, zeigen Gemälde von Gabentischen Vorläufer des heute üblichen Tellers. Am Anfang lag darauf nicht allzu viel: Äpfel und Apfelsinen, Mandeln und Nüsse. Süßigkeiten hingen zunächst nur am Weihnachtsbaum, aber allmählich wanderten sie auch auf den Nikolausteller - bis die Süßwarenindustrie mit Schokolade und Marzipan schließlich ganz obsiegte und „Apfel, Nuss und Mandelkern" verdrängte.

Besuch von Nikolaus und Krampus - Zeitungsillustration aus dem Jahr 1896
Besuch von Nikolaus und Krampus - Zeitungsillustration aus dem Jahr 1896

Als Bekämpfer des Bösen erscheint Nikolaus ab Mitte des 17. Jahrhunderts und erhielt somit eine pädagogische, disziplinierende Seite: Er kehrt in die Wohnungen ein, prüft die Kinder und belohnt oder bestraft sie, je nach ihrem Verhalten. In seinem Gefolge sind Engel und Teufel. Für das Bestrafen hat er einen Knecht, der als ein gebändigter Teufel gedacht wurde und landschaftlich unterschiedliche Namen erhielt: Ruprecht, Krampus, Klaubauf, Kinderfresser, Pelzmärtel, schwarzer Piet, Teufel, in tierischer Gestalt auch Klapperbock und Habergeiß. In katholischen Gegenden ist das Gefolge noch immer präsent, auf dem Christkindlesmarkt oder beim Umzug am Vorabend des 6. Dezember. Die Schreckgestalten begegnen noch in den Nikolausspielen und den Lärmumzügen des Alpenraumes.

Im 19. Jahrhundert, als Weihnachten sein bürgerliches Gepräge als Familienfeier erhielt, geschah wieder eine wesentliche Veränderung: Nun entstand aus dem Kinderschreck Ruprecht und dem Kinderfreund Nikolaus eine neue Figur des weihnachtlichen Schenkens, der Weihnachtsmann. Nikolaus und Weihnachtsmann gehören also zusammen, sind sozusagen Brüder, genauer: Zwillingsbrüder ungleicher Geburt, christlich und säkularisiert - in den USA weiß das jedes Kind, schließlich gibt es ihn dort nur einmal und heißt Santa Claus. Und als Ironie der Geschichte verdrängte der Nikolaus als säkularisierter Weihnachtsmann wieder das Christkind. Im Zuge der Reformation, die die katholische Heiligenverehrung ablehnte, war der Nikolaus nämlich im 16. Jahrhundert zum „Heiligen Christ" umbenannt worden. Daraus entstand dann das Christkind, das noch in den 1970er-Jahren außer im Norden und Nordosten des deutschen Sprachraums als alleiniger Gabenbringer galt. Anfang des 21. Jahrhunderts ist aber durch Werbung, Film und Süßwarenindustrie der Weihnachtsmann überall heimisch geworden.

Also dann: „Morgen, Kinder, wird's was geben" - Weihnachten naht ....

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 Literatur:

-              Ingeborg Weber-Kellermann: Das Buch der Weihnachtslieder (1982)

-              Ingeborg Weber-Kellermann: Das Weihnachtsfest. Eine Kultur- u. Sozialgeschichte der Weihnachtszeit (21987)

-              Weihnachten in Deutschland. Spiegel eines Festes, hg. v. C. Daxelmüller (1992)

-              Werner Mezger: Sankt Nikolaus. Zwischen Kult und Klamauk (1993)

-              R. Vossen: Weihnachtsbräuche in aller Welt (51994)

-              T. Hinrichsen: Weihnachten in Europa (2004)

-              Geschichten über Weihnachtsbräuche aus aller Welt, hg. v. R. Jostmann (22005)

-              Manfred Becker-Huberti: Der heilige Nikolaus. Leben, Legenden und Bräuche (2005)

-              G. Brückner: Weihnachten wie früher. Von Christbaumschmuck und Gabenbringern (2006) 


Bildquellen:
Der hl. Nikolaus, das Nikoloweibl und die Buttnmandl.JPG am 1. Adventsonntag in Loipl. Urheber: Gamsjaga via Wikimedia Commons, gemeinfrei

Nikolaus von Myra (russische Ikone von Aleksa Petrov, 1294), gemeinfrei 
 
Nikolaus-Flügelaltar von 1485 in der Kirche St. Mariae in Mühlhausen, gemeinfrei
 
Der Weihnachtsmann mit einem kleinem Mädchen. Urheber: Jacob Windham from Mobile, USA 
CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons 
 
Besuch von Nikolaus und Krampus in der Stube, Zeitungsillustration aus dem Jahr 1896 

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